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Was macht die Selbsthilfegruppe Schmerz?
Und wieder mal sitze ich mit zusammen-
gebissenen Zähnen im Wartezimmer und ertrage
meine Schmerzen, so wie ich sie eigentlich
immer ertrage. Denn diese Schmerzen sind
ständig da,
mal mehr oder weniger schlimm, aber doch
allgegenwärtig.
Allgemein leiden in Deutschland ca. 11 Millionen
Menschen an ständigen oder auch immer
wiederkehrenden Schmerzen.
Ich zähle zu den ca. 900 000 bis 1,5 Million
Menschen, die problematische chronische
Schmerzen haben.
Diese Schmerzen haben sich verselbstständigt
und zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt,
dem chronischen Schmerz. Dieser hat seine
Warnfunktion verloren.
Diese Schmerzen werden nicht durch eine Ver -
letzung
etc. verursacht, sie treten immer wieder auf, die
Ursache ist oftmals nur schwer auszumachen und
sie begleiten den Betroffenen meist viele Jahre
lang. Ich benutze bewusst das Wort begleiten,
denn auch Schmerztabletten, Infusionen oder
Therapien verschaffen, wenn überhaupt, nur
wenig Linderung. Im Unterschied zu den
Patienten, die mit mir mit akuten Schmerzen im
Wartezimmer sitzen, und die in ein zwei Wochen
wieder schmerzfrei und gesund sind, sitze ich
auch in ein zwei Wochen wieder mal im
Wartezimmer und hoffe zumindest auf ein
bisschen Linderung.
Akute Schmerzen entstehen normaler Weise,
wenn Organe, Knochen, die Haut oder auch
Nerven geschädigt werden, sie sind bekannt und
werden durch Medikamente therapiert. Akuter
Schmerz hat eine reine Warn und Schutzfunktion.
Er ist zwar unangenehm, aber auch nützlicher
Begleiter in unserem Leben, denn er aktiviert
unsere Schutzfunktionen, wie z.B. bei einem
Kind,
das mit seiner Hand die heiße Herdplatte
berührt
und aufgrund des Schmerzes die Hand zurück
zieht, bevor noch größerer Schaden entsteht.
Im Gegensatz hierzu stehen die chronischen
Schmerzen. Sie sind Dauerschmerzen oder
ständig wiederkehrende Schmerzen. Diese
chronischen Schmerzen haben keine
Schutzfunktion mehr. Sie sind quälend für die
Betroffenen, die weder die Ursache noch eine
wirksame Therapie dagegen finden.
Ich will niemanden etwas unterstellen, schon gar
nicht den Ärzten, die sicherlich ihr Bestes geben,
aber es ist doch oftmals so, dass derjenige, der
mit akuten Schmerzen, deren Ursache leicht
erkennbar ist zum Arzt geht, einfach mehr
Mitgefühl bekommt, als derjenige, der sich drei
bis viermal im Monat aufgrund starker
Schmerzen, deren Ursache nicht so einfach
feststellbar ist, seine Infusionen oder Spritzen
abholt.
Ich würde es nicht Gleichgültigkeit nennen, Gott
bewahre, vielmehr Resignation, denn ändern wird
sich sowie nichts….!
Mit diesen Problemen haben fast alle chronischen
Schmerzpatienten zu kämpfen, das macht uns
zusätzlich fertig. Diese Probleme und die damit
zusammenhängenden Gefühle von Unverständnis,
vielleicht auch die Äußerung
„ man solle sich doch nicht so anstellen“
kennen sicherlich viele Menschen, die unter
chronischen Schmerzen leiden. Unverständnis,
nicht ausreichende Informationen lösen in uns
das Gefühl aus, allein dazustehen.
Doch das ist nicht so.
Wie froh war ich, als ich erkannt habe, dass ich
nicht allein bin, dass es noch weitere Menschen
gibt, denen es genauso geht wie mir, die sich z.B.
in Selbsthilfegruppen zusammengeschlossen
haben.
Aufgabe einer Selbsthilfegruppe:
Hier greift u. a. die Aufgabe der
Selbsthilfegruppe
durch Information und Gespräche weiterzuhelfen.
Nur, wenn wir Schmerzpatienten ausreichend und
umfassend informiert sind, sehen wir, dass wir
nicht allein sind.
Alle Schmerzpatienten kennen die typischen
Probleme wie: Verzicht auf Aktivitäten jeglicher
Art, erhöhtes Schmerzempfinden, Depressionen
bis teilweise hin zu Suizidgedanken, ständige
Überforderung, Schlafstörungen und damit
verbundene Müdigkeit, Konflikte in der Familie,
im Beruf und im Freundeskreis, resultierend aus
den Schmerzen, Berufsunfähigkeit sowie
finanzielle Probleme.
Kurzum, die ständigen Schmerzen führen zu
einer
eingeschränkten Lebensqualität.
Diese aufgeführten Probleme, die bei jedem
Einzelnen ganz individuell sind, kann niemand
allein, mit dem Partner oder der Familie lösen.
Niemand, der nicht dasselbe durchlebt,
wie ich als ein chronischer Schmerzpatient, kann
sich in unsere (meine ) Situation
hineinversetzen. Er benötigt Hilfe von
Fachleuten und von Menschen, die das Selbe
durchleben und diese findet er in den
Selbsthilfegruppen.
Das Ziel unserer Selbsthilfearbeit ist es, durch
den gemeinsamen Austausch, durch die
Weitergabe von Erfahrungen, einerseits weitere
Enttäuschungen zu ersparen, anderseits aber
auch, den (ggf.) richtigen Facharzt zu finden.
In den Selbsthilfegruppen ist ein großes Wissen
um den Schmerz vorhanden, je mehr Fragen und
Erfahrungen dort eingebracht werden, umso
größer wird das Wissen um den Umgang mit den
Schmerzen. Wir haben alle die Erfahrung
gemacht, dass sich unter Leidensgenossen
leichter reden lässt, wir alle wissen, was Schmerz
ist, das muss uns niemand erklären. Viele haben
in der Selbsthilfegruppe nach langer Zeit auch
mal wieder gelacht und Spaß am Leben wieder
gefunden. Bei uns ist jeder für den anderen da.
An den Gruppenabenden tauschen wir uns aus.
Wir hören medizinische Vorträge, ein
weiterer Bestandteil sind auch Veranstaltungen,
die nicht primär etwas mit unserem Leiden zu tun haben, wie z.B. Reiseberichte, Vorlesungen oder
Theaterbesuche.
Man muss eben lernen, mit den Schmerzen zu leben, denn weggehen werden sie
nicht.
Man kann sich engagieren und allein durch die
aktive Mitarbeit die Schmerzen auch mal in den
Hintergrund schieben und wieder etwas mehr
Lebensqualität erlangen.
Wir organisieren Ausflugsfahrten zu
verschiedenen Kliniken. Auch diese gemeinsamen Aktivitäten sind ein Bestandteil des Gruppen-
lebens.
Sie bieten die Möglichkeiten der
Weiterbildung sowie der Kontaktpflege.
verfasst von A-M.W.im April 2009
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